„Mehr als 200 Millionen EUR“ habe die Realisierung von Deutschlands erster mehrgeschossigen Logistikimmobilie mit zwei Rampen à 45 Tonnen Nutzlast gekostet. Diese und andere bisher nicht bekannte Fakten hat Oliver Schmitt, Geschäftsführender Gesellschafter von Four Parx, auf der ersten Digitalkonferenz Ramp One preisgegeben. Und: Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das Projekt „Mach2“ zur neuen Pilgerstätte für Projektentwickler und Investoren sowie ein „Paris 2.0“ (die hauptsächlich von IKEA genutzte doppelstöckige Logistikanlage nahe Paris verfügt über eine Rampe, Anm. d. Red.) werden wird – und bereits ein bisschen Speicherstadt 2.0 ist (dazu im weiteren Verlauf dieses Textes mehr).
Laut Schmitt suche die Entwicklung der ersten zweistöckigen Logistik- und Gewerbeimmobilie in der Region Hamburg in Deutschland seinesgleichen. In der Tat betrat Four Parx auf vielfältige Weise Neuland. Ein besonderes Maß an Pionierarbeit erforderten laut Schmitt vor allem zwei Bereiche: Der Umgang mit den für die Hamburger Region typischen Kampfmittelfunden sowie die für die Hafennähe eigentümliche, aber herausfordernde Bodenbeschaffenheit. „Während gerade für die Immobilienentwicklung im Logistiksektor die Lage als wichtigstes Ansiedlungskriterium gilt, sind sich viele der Branchenakteure weder der Bedeutung noch der Komplexität der Arbeiten am und mit dem Boden bewusst“, führte der Manager aus.
Artikel
von Tim-Oliver Frische
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GSE-Geschäftsführer Dany Brodhag am 19. Mai auf der Digitalkonferenz Ramp One
Bei der Realisierung von Mach2 nahm Four Parx eine umfangreiche Prüfung des Bodens vor und bohrte dazu in einem Raster von jeweils 1,5 Meter. „Immerhin war die Hansestadt besonders betroffen von den Bombenangriffen während des Zweiten Weltkriegs. Dabei stießen wir auf mehr als 20 Anomalien, also Verdachtspunkte auf Sprengsätze, sechs entpuppten sich als tatsächliche Bombenfunde im Umfang von 250 bis 500 Kilogramm. Und jeder Kampfmittelfund hatte eine Vollsperrung der Baustelle bis zur fachgerechten Untersuchung zur Folge“, beschrieb Oliver Schmitt.
Im Fall von Mach2 wurden konkret zwei Arten von Sprengsätzen gefunden mit jeweils eigenen Herausforderungen. „Zum einen solche mit Aufschlagzünder, die von Spezialtauchern entschärft und geborgen wurden. Die Entschärfung sogenannter Chemiezünder war umfangreicher“, so Schmitt. „Hierbei musste das gesamte Areal evakuiert und großflächig abgesperrt werden, damit die Bomben kontrolliert gesprengt werden. Zusätzliche Fundamente im Erdreich verhinderten dabei oftmals eine Kampfmittelprüfung und mussten zunächst im Zuge einer Baufeldfreimachung entfernt werden“, erzählte Schmitt.
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Bombenfunde im Umfang von 250 bis 500 Kilogramm wurden bei den Bauarbeiten entschärft.
Grundsätzlich ist die Beschaffenheit des Bodens eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Immobilienentwicklung. Dies gilt insbesondere für die Region Hamburg. „Während der Arbeiten an Mach2 musste eine Bodenverbesserung durch Säulen hergestellt werden, da ein tragfähiger Boden hier erst ab einer Tiefe von 10 Metern anzutreffen ist“, erläuterte Schmitt. Eine ganz wesentliche Schwierigkeit bestand durch die bereits nach nur einem Meter auftretende Wasserhaltung aufgrund des Schichtenwassers. „Die Sondergründung der Immobilie besteht deshalb aus circa 26.000 Säulen. Damit wurden rund 260 Kilometer Säulen verbaut“, so der Four Parx-Chef. Kurzer Exkurs: Auf rund 3,5 Millionen und bis zu zwölf Metern tiefen Holzpfählen ist die Speicherstadt gegründet worden – daher die Anspielung auf „Speicherstadt 2.0“.
26.000
Säulen wurden verbaut mit einer Gesamtlänge von ca. 260 Kilometern.
„Logistikimmobilien verdienen nachhaltigen Applaus, weil…
- neue Immobilienstandorte von TST konsequent unter Umwelt-/Nachhaltigkeitsaspekten geplant werden (DGNB Gold, Photovoltaik, E- oder Gas-Stapler und -Autos, Ausgleichsflächen als Biotop);
- durch intelligente Lösungen Industrieproduktion und Logistik miteinander verschmelzen – Transporte werden vermieden;
- höherwertige Dienstleistungen in der Kontraktlogistik auch höherwertige Arbeitsplätze am Standort sichern und schaffen;
- bei Schienenanbindung LKW-Transporte überflüssig werden (zum Beispiel Water Warehouse Worms für Nestlé);
- sie Platz schaffen für intelligente wie umweltfreundliche Lösungen (etwa zur Erhöhung der Recyclingquote) und
- sie Verbraucherwünsche nach schneller Lieferung (Next Day/Same Day) erfüllen.“
Der hohe Wasserstand in Verbindung mit kontaminiertem Erdmaterial verursachte nicht nur zusätzliche Erdarbeiten, sondern machte aufgrund des durchfeuchteten Bodens ein Befahren mit schweren Geräten unmöglich. „Die hierdurch verursachten zusätzlichen Aufwendungen beliefen sich auf circa 250 bis 350 Euro pro Quadratmeter“, verriet Schmitt weiter.
Insgesamt 76.000 Tonnen Material mussten vom Areal abgefahren werden, davon waren 35.000 Tonnen zunächst aufzubereiten, um überhaupt abtransportiert werden zu können. Dabei fielen auch mehr als 43.000 Kubikmeter Recycling-Material an, rund 25.000 Kubikmeter davon stammten aus dem Erdreich, die weiteren entstanden bei den durchgeführten Rückbauarbeiten des Bestandsgebäudes.
„Aufgrund der Vielfalt der Herausforderungen lassen sich nur wenig zuverlässige Prognosen über die Bau-Dauer derart komplexer Immobilienvorhaben treffen“, betonte Oliver Schmitt. Zwar könne wie im Fall von Mach 2 davon ausgegangen werden, dass die Arbeiten innerhalb von 18 Monaten durchgeführt werden können, dennoch machten die Gegebenheiten im Hamburger Untergrund jederzeit eine Verlängerung der Bauzeit möglich.
76.000
Tonnen Material mussten vom Areal abgefahren werden.
Ich sehe in der Zunahme spekulativer Bauten keine Gefahr für unseren Investmentmarkt. Der Markt reguliert sich letztendlich selbst über Angebot und Nachfrage. Momentan können diese Neubauten innerhalb eines Jahres vermietet werden, da die Nachfrage vorhanden ist. Sollte der Leerstand aber länger währen, dann werden die Eigentümer solchen Vorhaben auch ganz schnell wieder den Riegel vorschieben.
Als Investor bereitet mir eher Sorgen, dass Bestandsimmobilien im Verhältnis zu den Neubauten preislich sehr viel teurer geworden sind. Die Bruttorendite für Bestandsimmobilien ist mittlerweile deutlich abgesunken.
Was die City-Logistik betrifft, so halte ich es für diskutabel, ob das überhaupt ein Immobilien-Thema ist. Wenn, sagen wir, in der Innenstadt einfach Container o.ä. aufgestellt werden, dann hat das für mich nichts mit Logistikimmobilien zu tun. Paketverteilzentren am Stadtrand – damit sind wir glücklich und halten momentan sieben solcher Objekte in unseren LIP Logistik-Fonds. Aber ein spezielles City-Logistik-Portfolio werden wir nicht auflegen.
Bodo Hollung MRICS, Gesellschafter und Geschäftsführer von LIP Invest
Im Fall von Four Parx wird die Fertigstellung für das vierte Quartal 2021 angestrebt. Auch dank der „positiven Zusammenarbeit mit den Hamburger Behörden“, die „ein Vorteil“ war, lobte Schmitt.
Bleibt noch die Frage, wer Mach2 am Ende des Tages nutzen wird? Das indes war dem Manager, trotz Premiere der Digitalkonferenz Ramp One und rund 800 Augen und Ohren, nicht zu entlocken. Ramp One bleibt dran!
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Corona hatte großen Einfluss auf die Logistikbranche – positiv wie negativ.