Wenn es um neue Logistikansiedlungen geht, gibt es in den Niederlanden ein häufiges Problem: Die Stromversorgung der Immobilie von externer Seite ist nicht möglich, weil die Kapazität der lokalen Netze zu niedrig ausfällt. Inzwischen werden deshalb vereinzelt sogenannte Off-Grid-Immobilien realisiert. Dabei handelt es sich um vollständig autarke Logistikobjekte, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind (wobei es auch Off-Grid-Konzepte für Gas- und Wassernetze gibt).
Auch in einigen deutschen Logistikregionen stellt der eher schleppende Stromnetzausbau Logistikimmobilienentwickler vor große Herausforderungen. Besonders an geografisch günstigen, aber wirtschaftlich eher schwachen Standorten in den ostdeutschen Bundesländern, in entlegenen Regionen Bayerns oder am äußersten Rand des Ruhrgebiets kann dies der Fall sein. Gleiches gilt jedoch auch für gut entwickelte Regionen, in denen die Stromnetze an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Könnten deshalb auch hierzulande Off-Grid-Immobilien nach niederländischem Vorbild die Lösung sein?
Gastbeitrag
von Patrick Abel,
Managing Director Germany, Montea
Klimapositivität allein reicht nicht aus
Die Grundvoraussetzung für Off-Grid-Immobilien ist ein klimapositiver Betrieb. Schließlich muss auf Objektebene durchweg ein Überschuss an Energie generiert werden. Verglichen mit klimapositiven Immobilien, die über einen Zugang zum Stromnetz verfügen, existieren jedoch zusätzliche bauliche Anforderungen. Die meisten klimapositiven Immobilien erzeugen vor allem auf Basis von Photovoltaikanlagen ihre Energie, importieren jedoch in den Nachtstunden oder bei schlechtem Wetter Strom aus dem Netz. Da dies für Off-Grid-Immobilien nicht möglich ist, sind vor allem leistungsstarke Batteriesysteme zur Stromspeicherung wichtig. Für eine Big-Box-Logistikimmobilie müssen – je nach Flächengröße und Nutzungsweise – Batterieanlagen mit zwei bis vier Megawatt oder sogar mehr Leistung installiert werden.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, nicht allein auf Photovoltaik als Energiequelle zu setzen. Windkraftanlagen auf dem Dach und auch der Einsatz von Geothermie können zu einer gleichmäßigen Energieerzeugung beitragen. Bei der Entwicklung des Immobilienkonzepts kommt es darauf an, ein passendes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen zu finden, da diese Maßnahmen verglichen mit Photovoltaikanlagen oft deutlich teurer sind und die gewonnene Leistung sich auf dem aktuellen Stand der Technik noch in Grenzen hält.
Der laufende Betrieb zählt
Off-Grid-Immobilien müssen zwangsläufig mit einem Dieselgenerator ausgestattet sein, der zur Not die Energieerzeugung übernimmt. Das tatsächliche Nachhaltigkeitsniveau der Immobilie bemisst sich also daran, wie oft und wie lange der Generator angeschaltet werden muss. Wenn also die Stromerzeugung oder die Batteriekapazitäten zu knapp bemessen wurden, können im laufenden Betrieb der Immobilie Defizite in Sachen Nachhaltigkeit entstehen. Ganz zu schweigen von den enormen Kraftstoffkosten, die der Nutzer zu tragen hätte. Entwickler sollten deshalb konservativ rechnen und sich nur dann für eine solche Lösung entscheiden, wenn das Projekt sowie ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig ist.
Beim jetzigen Stand der Batterietechnik und bei den möglichen Leistungen von Photovoltaik-, Wind- und Wasserkraft- sowie Geothermie-Anlagen existieren noch starke Limitierungen bei den möglichen Nutzergruppen und Betriebsweisen. Off-Grid-Kühllogistikhallen für die Lebensmittel- oder Pharmalogistik sind daher eher ein Zukunftsthema – genauso wie Off-Grid-Distributionszentren für den E-Commerce, bei denen eine energieintensive Intralogistik aufgrund eines hochfrequenten Warenumschlags nötig ist und viele Prozesse in den Nachtstunden stattfinden. Dagegen könnten beispielsweise Hallen, die Baumaterialien oder Stückgut einlagern, aber auch klassische, nur tagsüber betriebene Lagerhallen in einigen Fällen bereits heute ohne Anschluss an das lokale Stromnetz nachhaltig betrieben werden. Da die Kosten für Batterieanlagen jedoch sinken und die Batterietechnologie stetig verfeinert wird, könnte sich das bereits in wenigen Jahren ändern. Bis zum Jahr 2030 wird der Anteil an weitestgehend autarken Logistikimmobilien daher höchstwahrscheinlich steigen – und auch energieintensivere Nutzungen werden auf nachhaltigem Wege möglich sein.
Drittverwendbarkeit beachten
Vor diesem Hintergrund wären vereinzelte Off-Grid-Logistikprojekte in Deutschland bereits heute denkbar. Allerdings würde es sich aktuell um eine Notlösung handeln: Ein strategisch wichtiger Standort wird nutzbar, bei dem aufgrund der fehlenden Netzkapazitäten ansonsten keine Ansiedlung möglich ist. Umso wichtiger ist es für den Projektentwickler, die Drittverwendbarkeit und damit die langfristige Nachhaltigkeit zu prüfen: Könnten auch andere Nutzerprofile und Betriebsweisen in der Immobilie erfolgreich sein, sodass sie auch über den ersten Mietzyklus hinweg marktgängig ist? Das entscheidet sich nicht allein daran, wie „grün“ die Immobilie ist – sondern auch, ob sie in die Supply Chain passt, ob ausreichend Arbeitskräfte verfügbar sind und ob die Mietpreise als erschwinglich wahrgenommen werden.
Sub-Grid statt Off-Grid?
Eine weitere Möglichkeit, um weitgehend autarke Lösungen leichter zu realisieren, sind lokale Kooperationen mit der Nachbarschaft, sogenannte Sub-Grids. Wenn sich in der Nähe zu einem geplanten Immobilienprojekt beispielsweise bereits ein Produktionsbetrieb befindet, der viel Abwärme produziert, könnte diese zur Stromerzeugung für die benachbarte Logistikimmobilie verwendet werden. Überschüsse würden wiederum an den Produktionsbetrieb zurückgegeben. In diesem Fall wäre also nicht die mangelnde Netzkapazität der Grund, sondern die gezielte Nutzung von Synergien. Ähnliche Modelle wären auch dazu geeignet, um Wohnimmobilien in der Nachbarschaft zu versorgen. In Deutschland stehen dieser Vorgehensweise vor allem juristische Herausforderungen im Weg, doch beispielsweise wird in Berlin inzwischen ein Wohnkomplex mit über 500 Einheiten durch die Abwärme eines benachbarten Telekom-Gebäudes versorgt. Solche Synergien sind – in abgewandelter Form – auch mit Logistikimmobilien möglich und auch für die Kommunen sinnvoll. Schließlich bieten Sub-Grid-Lösungen auch für die Entscheider der öffentlichen Hand zusätzliche Impulse, um die Energiewende an ihren jeweiligen Standorten voranzubringen.“
„Beim jetzigen Stand der Batterietechnik und bei den möglichen Leistungen von Photovoltaik-, Wind- und Wasserkraft- sowie Geothermie-Anlagen existieren noch starke Limitierungen bei den möglichen Nutzergruppen und Betriebsweisen.“
Patrick Abel
Managing Director Germany, Montea